OLG Celle – Urteil vom 20.11.2013, Az. 3 U 75/13

OLG Celle stützt die Rechtsauffassung der Fachanwaltskanzlei Helge Petersen & Collegen und attestiert der Commerzbank Organisationsverschulden im Rahmen ihrer Falschberatung!

Das OLG Celle hat jüngst in zwei Entscheidungen gegen die Commerzbank den Vorwurf der Falschberatung im PMIA-Skandal bestätigt.

Im Rahmen des Urteils vom 20.11.2013, Az. 3 U 75/13, ging das Gericht sogar soweit, ein vorsätzliches Organisationsverschulden bei der Commerzbank zu sehen:

„Die Beklagte hat nicht vorgetragen, sie habe ihre Bankmitarbeiter angewiesen, auch auf die besondere Kostenstruktur eines Dachfonds hinzuweisen. Die Beklagte hat lediglich vorgetragen, sie habe niemanden angewiesen, das Schließungsrisiko zu verschweigen (Bl. 566 d. A.). Auf diese (Negativ-)Tatsache kommt es aber nicht an. Es ist nicht erkennbar, dass die Beklagte organisatorische Vorkehrungen getroffen hat, dass die Einhaltung der Beratungspflichten gesichert ist. Dies gilt gleichermaßen für den „Kostennachteil“. Denn es handelt sich hier ersichtlich um eine wesentliche Eigenschaft des Produktes Dachfonds. Die Beklagte kann sich insoweit auch in keinem Rechtsirrtum befunden haben.“

Das OLG Celle forderte ferner in einer anderen Entscheidung vom 20.11.2013, Az. 3 U 65/13, klare Voraussetzungen für eine anlage- und anlegergerechte Beratung bei der Konstellation einer Wertpapierumschichtung:

Der Vorliegende Fall erhält sein besonderes Gepräge allerdings dadurch, dass

  1.  die Initiative zum Erwerb der Dachfondsanteile unstreitig allein von der Beklagten ausging
  2.   es nicht allein um die Vornahme einer Neuinvestition ging, sondern vielmehr ein im Depot vorhandenes Kapitalprodukt durch ein anderes Kapitalprodukt ersetzt werden sollte und
  3.  die Beklagte unstreitig ein finanzielles Eigeninteresse bei der Empfehlung hatte, was bereits daraus folgt, dass die Beklagte nicht nur am Agio sondern auch an der Verwaltungsvergütung verdiente.

Eine solche „Tauschempfehlung“ (genauer gesagt: Empfehlung zum Verkauf und Kauf innerhalb eines Beratungsgesprächs; so richtigerweise OLG Schleswig, Urteil vom 19. September 2013, Az.: 5 U 34/13, zitiert nach JURIS Rdz. 35ff.) ist nach Auffassung des Senats als pflichtwidrig anzusehen, wenn es

  1.  keine sachliche Notwendigkeit für einen Tausch gibt oder
  2.  die neue Anlage

a)   entweder höhere Risiken als die alte Anlageform aufweist und/oder
b)   nicht vollständig über die Risiken der neuen Anlage bzw. deren besondere Struktur aufgeklärt wird. Denn um dem Kunden eine sachgerechte Entscheidung zu ermöglichen, ob er der Tauschempfehlung folgt, müssen Ihm alle wesentlichen Informationen richtig und vollständig erteilt werden, um ihm den Vergleich beider Kapitalanlagen zu ermöglichen (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 16. Mai 2012, Az.: 14 U 291/10, zitiert nach JURIS Rdz. 43 betreffend den Umtausch von Commerzbankzertifikaten in Lehman-Zertifikate, vgl. FAZ vom 23. August 2012).

Da sich der Hausinvest und der PMIA tatsächlich in vielfältiger Hinsicht unterscheiden und der Dachfonds letztlich ein Aliud darstellt, hätte vor Ausspruch einer kombinierten Verkaufs/Kaufempfehlung über die strukturellen Merkmale bzw. Eigenschaften des zu erwerbenden PMIA-Fonds hinreichend aufgeklärt werden müssen.(…)“

Es trat damit einer angedeuteten Auffassung des Oberlandesgerichts Schleswig klar entgegen:

„Die Auffassung des Oberlandesgerichts Schleswig, welches die Empfehlung zum Verkauf der vorhandenen Hausinvest- Anteile und die daran anschließende Empfehlung zum Kauf von Anteilen an dem Dachfonds demgegenüber isoliert voneinander betrachtet (Urteil vom 19. September 2013, Az. 5 U 34/13), blendet die Besonderheit der Beratungssituation aus und übersieht den inneren Zusammenhang zwischen der Verkaufs- und der Kaufempfehlung, die gerade auch durch das Eigeninteresse der Beklagten motiviert war. Auch der Bundesgerichtshof hat erst jüngst – allerdings im Zusammenhang mit der Rückvergütungsproblematik bei Wertpapierkommissionen – betont, dass ein zeitliches Auseinanderfallen des Kommissionsvertragsschlusses und Beratungsvertrages auf die künstliche Aufspaltung eines nach dem tatsächlichen Ablauf einheitlichen Lebenssachverhaltes hinaus laufen würde (BGH, Urteil vom 24.09.2013, Az. XI ZR 204/12, zitiert nach JURIS Rdz. 27). Diese Überlegung kommt vorliegend gleichermaßen zum Tragen.“

Auch in Bezug auf das Schließungsrisiko (Aussetzungsrisiko) von offenen Immobilienfonds verriet das OLG Celle , zu Gunsten einer Aufklärungspflicht vor dem Oktober 2008 zu tendieren. Speziell für PMIA hatte das OLG Celle hinsichtlich des Schließungsrisikos einen künftig zu beachtenden Hinweis.

Danach sei selbst die Erlaubnis nach § 83 SGB IV zur Investition in offene Immobilienfonds kein Indiz für die „Gefahrlosigkeit“ des Aussetzungsrisikos solcher Fonds. Anwendbar auf PMIA sei diese Norm erst Recht nicht, da von der Norm nur Fonds erfasst werden, die im europäischen Raum investieren. Der Gesetzgeber hat demnach damals bereits das Risiko der „weltweit“ investierenden Fonds gesehen und diese ausdrücklich ausgeschlossen.

Bei beiden Urteilen wurde die Revision nicht zugelassen.


Damit hat die Kanzlei Petersen & Collegen einen weiteren Erfolg im PMIA-Skandal errungen. Besonders erfreulich war, dass das Oberlandesgericht Celle sich nicht von der Argumentation der Commerzbank hat blenden lassen und die Klage bereits aus dem Umstand für begründet ansah, dass dem Anleger nicht erläutert wurde, nunmehr Verwaltungskosten auf zwei Ebenen zahlen zu müssen. Das Gericht hatte neben den behaupteten Sicherheitsaspekten damit auch die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit einer solchen Anlageempfehlung nicht aus den Augen verloren.

Das OLG Celle hat am Ende in der Verhandlung darauf hingewiesen, alle Anträge des Verkaufes und Kaufes in einen einzigen Antrag incl. Kosten und Zinsausfallschaden zu formulieren. Dieser wurde soweit auch ausgeurteilt.

Damit erteilen OLG Celle, OLG HH und der BGH neben zahlreichen Landgerichten in der Republik der Argumentation von HP&C, Kiel folgend dem OLG Schleswig eine Absage. Wenn dieses unter anderem im Ergebnis frei auf Seiten der Commerzbank argumentiert, dass Depots, die gut laufen, dennoch nicht „versteinern“ dürften, mithin die streitgegenständliche Anlageempfehlung vertretbar sei, dann ist dies im Ergebnis falsch.

„Wir gehen davon aus, dass das OLG Schleswig seine bisherige Rechtsauffassung nunmehr kritisch überdenkt und sie zugunsten der oft schicksalhaft betroffenen Anlegern modifiziert“, hofft Fachanwalt Helge Petersen.
Auch in Sachen Postbank AG dürfte sich, so Helge Petersen, die Position für die durch Falschberatung geschädigten Anleger und Anlegerinnen deutlich verbessert haben. Interne Berichte und Informationen Dritter lassen grobe Pflichtverletzungen bei der ehemaligen Traditionsbank erkennen, denen es konsequent nachzugehen gilt.

Download Az. 3 U 75/13
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